Gelebte Diversity am Arbeitsplatz oder Pinkwashing?
LGBTQIA+-freundliche Unternehmen erkennst
Wir alle wollen bei Unternehmen arbeiten, bei denen Diversität und Weltoffenheit mehr sind als Marketingtools, die ein paar Mal im Jahr zu passenden Gelegenheiten aus der Image-Kiste gekramt werden.
Doch wie erkennt man, welcher Arbeitgeber es ernst meint mit der Gleichberechtigung?
5 Tipps für deine Suche nach einem LGBTQIA+-freundlichen Arbeitgeber.
Im Pride Month Juni wird werbewirksam die Regenbogenflagge geschwenkt, zum Weltfrauentag wird eine Horde Praktikantinnen vor die Kamera gezerrt, denen man in einem Social Media-Post ein Statement darüber in den Mund legt, dass im Unternehmen XY ein ach so großer Wert auf Gleichberechtigung gelegt wird. Ein passender Hashtag dazu und das war‘s dann mit den Themen Diversität und Gleichberechtigung für den Rest des Jahres. Ein Worst-Case-Szenario.
Zum Glück ist das Engagement vieler Unternehmen aufrichtig.
Aber es gibt eben auch Wölfe, die sich in Regenbogenfarben getünchte Schafspelze hüllen. Für Außenstehende ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, welches Unternehmen Diversität wirklich lebt und für welche Firma sie lediglich ein Accessoire darstellt. Doch es gibt ein paar Punkte, auf die du achten kannst, um bei deiner Jobsuche nicht auf ein Unternehmen hereinzufallen, das Pinkwashing betreibt.
Was ist Pinkwashing?
Pinkwashing bezeichnet eine Marketingstrategie, deren Ziel es ist, Unternehmen ein tolerantes, fortschrittliches Image zu verschaffen. Durch öffentliche Identifizierung mit der LGBTQIA+-Bewegung werden Produkte, Personen oder Organisationen beworben – allerdings ohne sich wirklich für die Interessen der Community zu engagieren.
Geboren wurde der Begriff, als Kosmetik- und Pharmaunternehmen in den USA ihre Produkte mit rosa Schleifen versahen – einem Symbol für den Einsatz gegen Brustkrebs. Ungünstig, dass haargenau diese Produkte als krebserregend im Verdacht standen. Die Kampagne ging also nach hinten los.
In Anlehnung an den Begriff „Whitewashing“, welcher soviel wie Schönfärberei bedeutet, entstand die Bezeichnung Pinkwashing.
Unternehmen und der Pride Month
Seit einigen Jahren finden vor allem im Juni in vielen Ländern Festivals, Paraden und Demonstrationen rund um die LGBTQIA+-Community statt (ein Beispiel ist der Christopher Street Day).
Bei den Veranstaltungen steht der Einsatz für die Rechte von all jenen im Mittelpunkt, deren sexuelle Orientierung nicht der Hetero- und Cisnormativität entspricht. Homosexuelle Frauen und Männer, Bisexuelle, Trans* und Inter* und asexuelle Menschen gehen für mehr Sichtbarkeit und gegen Diskriminierung auf die Straße.
So wurde der Juni zum Pride Month, den sich auch viele Unternehmen in den Kalender eingetragen haben: Pünktlich zu den Events bringen Modeketten spezielle Pride-Kollektionen auf den Markt, Hausfassaden erstrahlen in Regenbogenfarben und auch Firmenlogos werden als ultimatives Bekenntnis zur Diversität vorübergehend in Spektralfarben getaucht.
Natürlich feiern wir jedes Unternehmen, das für Toleranz und Gleichberechtigung Partei ergreift. Doch leider gibt es ein Leider: Hinter der farbenfrohen Kulisse hat Queerness nicht immer einen festen Platz in den gelebten, alltäglichen (Arbeits-)Strukturen. Häufig findet das demonstrative Engagement von Unternehmen mit Ablauf des Pride Month sein jähes Ende und die Regenbogenflaggen verschwinden wieder in der Kiste für Saison-Dekoration. Hmpf.
In welchen Unternehmen wird Diversity gelebt?
Es gibt ein paar Punkte, nach denen du als Bewerber*in gezielt Ausschau halten kannst, um geheuchelte von authentischer LGBTQIA+-Freundlichkeit zu unterscheiden:
Nimm die Stellenausschreibung unter die Lupe
Oft beginnt die Reise zum neuen Job bei einer Stellenanzeige. Wenn du ein wenig auf die Details achtest, kannst du bereits an den Formalien der Ausschreibung erahnen, wie wichtig dem Absender Diversität am Arbeitsplatz ist.
Gleiche die Jobanzeige mit folgender Checkliste ab:
- Ist der Jobtitel geschlechtsneutral gewählt?
Durch die Nennung aller geschlechtlicher Formen in Klammern hinter dem Jobtitel (m/w/d) sollten Zugehörige jedweden Geschlechts zur Bewerbung eingeladen werden. - Kommen auch im Fließtext genderneutrale Formulierungen zum Einsatz?
- Stehen in der Anmeldemaske der Karriereseite mehr als nur binäre Ansprachefelder zur Auswahl? Gibt es die Auswahlmöglichkeit ‘divers’ oder ‘keine Angabe’?
- Verzichtet das Unternehmen auf die Einreichung eines Bewerbungsfotos?
- Werden Menschen mit außergewöhnlichem Background gezielt zur Bewerbung ermutigt?
Kannst du die meisten Fragen mit ‘Ja’ beantworten, ist dies ein erstes Indiz dafür, dass sich im Unternehmen Gedanken über Diversität und Chancengleichheit gemacht werden.
Check’ den Online-Auftritt des Unternehmens
Wem Diversität am Herzen liegt, der kommuniziert dies auch nach außen.
Authentischer LGBTQIA+ Support wird auf allen verfügbaren Kanälen gelebt – vor allem aber keinesfalls ausschließlich auf Social Media.
Auch auf der Unternehmenshomepage bezieht das Unternehmen Stellung – indem es z.B. gelebte Antidiskriminierungsrichtlinien veröffentlicht.
Behalte das Unternehmen langfristig im Auge
Nach dem Sommer endet die Pride-Saison. Und dann wird es richtig spannend: Bei welchem Unternehmen bleibt die Regenbogenflagge gehisst? Wer bezieht auch weiterhin Stellung für die Wertschätzung und Chancengleichheit von LGBTQIA+?
Nun zeigt sich, ob hinter woken Statements wahre Überzeugung steckt. Mit der Präsentation des Firmenlogos auf dem CSD allein ist es schließlich nicht getan.
Haltung steckt dahinter, wenn Firmen auch international als LGBTQIA+-freundlich auftreten, Partnerschaften mit gleichgesinnten Unternehmen eingehen bzw. unpassenden Geschäftspartner*innen umgehend die Tür zeigen.
Glaubwürdig macht sich ein Unternehmen z.B. auch, wenn ein Anteil des Erlöses aus Pride-Kollektionen an entsprechende Organisationen gespendet werden.
Beobachte Unternehmen, die du als zukünftigen Arbeitgeber in Betracht ziehst also langfristig und finde heraus: Was ist Show? Und was ist echte Überzeugung?
Hol’ unabhängige Statements ein
Wenn sich ein Unternehmen öffentlich zu LGBTQIA+ bekennt, sagt das natürlich schon einiges Positives aus. Das Engagement sollte aber auch unternehmensintern stattfinden. Darum ist ein Blick hinter die Kulissen bzw. das Anhören objektiver Stimmen besonders wertvoll.
Schaue dich auf Portalen für Arbeitgeberbewertungen um. Wie beurteilen (ehemalige) Mitarbeiter*innen die Unternehmenskultur?
Es gibt auch Arbeitgebersiegel, wie z.B. PRIDE Champion, die gelebte Diversität im Unternehmen attestieren. Diese sind neutral, nicht käuflich und dadurch ein glaubwürdiges Indiz für einen diversity-freundlichen Arbeitgeber.
Im Jobinterview gezielt nachhaken
Das Vorstellungsgespräch ist für dich die Chance, dem Unternehmen und seinem Diversity Management auf den Zahn zu fühlen. Frage gezielt, durch welche konkreten Maßnahmen sich dein potentieller neuer Arbeitgeber für Diversität einsetzt.
Mit folgenden Fragen könntest du deine*n Gesprächspartner*innen konfrontieren:
- Gibt es interne Diversity Manager*innen?
- Unterstützt das Unternehmen externe Projekte oder Organisationen, die über LGBTQIA+ aufklären – z.B. durch Spenden, Sponsor- oder Schirmherrschaften?
- Finden entsprechende Coachings (z.B. Diversity Trainings) statt?
- Gibt es interne Netzwerke, in denen Teammitglieder sich in einem geschützten Rahmen treffen und austauschen können?
Berücksichtige, dass sich die Umsetzung des Diversity Managements bei kleinen und mittleren Unternehmen anders gestaltet als bei Großkonzernen.
Wichtig ist, dass das Unternehmen überhaupt ein Bewusstsein für die Thematik beweist und Maßnahmen ergreift, die im Rahmen seiner Möglichkeiten liegen.
Wenn ein Unternehmen in vielen der genannten Bereiche auf Vielfalt achtet, stehen deine Chancen gut, in diesem Unternehmen einen Arbeitgeber zu finden, der es ernst meint mit der Vielfalt am Arbeitsplatz und das Schlagwort Toleranz jeden Tag aufs Neue mit Leben füllt.
Wir wünschen uns, dass Gleichberechtigung schnell zu der Selbstverständlichkeit wird, die sie längst sollte – und dir natürlich viel Erfolg!